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Vereinbarkeit – eine Altersfrage

Vereinbarkeit
– schnelle Anleitung fürs fortgeschrittene Alter

„Damit endlich mehr Mütter in Führungspositionen kommen, brauchen wir bessere Vorbilder – aber da sitzen ja nur alte Männer und kinderlose Frauen.“

Dieser Satz schlug mir neulich in der Community entgegen und der daraus sprechende Frust hat mich tief berührt.
Willst auch du eigentlich mehr Eltern in deinem Führungsteam? Dann sprich mich an, denn genau genommen ist das viel leichter, als manch eine*r denkt.

Vereinbarkeit – die Sache mit Mutter und Kind

Fakt ist, ja, die deutschen Führungsetagen könnten durchaus noch das ein oder andere nicht männliche Wesen vertragen. Aber hinter der Aussage von oben steckt noch eine andere Aussage, und mit der möchte ich anfangen:

Vereinbarkeit bezieht sich nur auf Mütter mit kleinen Kindern!

Diesem Irrglauben sitzen immer noch zu viele auf, und zu schnell werden familienfreundliche Maßnahmen im Unternehmen danach bewertet, ob denn genug für Mütter mit kleinen Kindern getan wird. Und was ist mit den Vätern? Und

was ist mit den anderen Eltern, deren Kinder vielleicht schon größer sind und trotzdem gerade aktuell mehr Unterstützung brauchen? Und was ist mit den Menschen, die ihre Angehörigen pflegen oder andere Verpflichtungen haben?

Hier wird das Problem schon offensichtlich: Vereinbarkeitsthemen haben kein spezielles Alter. Im Gegenteil, genau andersrum wird ein Schuh daraus: Jedes Alter hat sein spezielles Vereinbarkeitsthema!

Vereinbarkeit – eine Frage des Alters

  1. Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft eher jüngere Leute: Für sie sind Maßnahmen interessant, die es allen Eltern ermöglichen, ohne Nachteile oder Einschränkungen ihrer Berufstätigkeit nachzugehen und im gewünschten Umfang Karriere zu machen. Hierzu gehören firmeneigene Betreuungsmöglichkeiten ebenso wie finanzielle Zuschüsse, zusätzliche freie Tage oder flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle, Teilzeit- und Tandem-Optionen u.v.m.
  2. Vereinbarkeit und Pflege kann jeden jederzeit treffen. Gehen wir allerdings davon aus, dass es um die älter werdenden eigenen Eltern geht, die ggf. mehr Aufmerksamkeit und Hilfe benötigen, dann betrifft diese Vereinbarkeitsthematik Mitarbeitende mittleren und fortgeschrittenen Alters. Sie brauchen dann Informationen und Unterstützung bei Anträgen und dem Finden von zuverlässigen Pflegepartnern. Auch hier wird die flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortgestaltung wieder eine wichtige Rolle spielen, und zusätzlich wird auch nicht jeder mit solch einer Situation mental fertig, sodass psychologische Hilfsangebote ebenfalls dankbar angenommen werden. Und nicht zuletzt:
  3. Vereinbarkeit und Vitalität! Denn wer meint, wenn man das mit den Kindern und der Pflege nicht hat, hat man auch kein Vereinbarkeitsthema, der irrt. Auch diese Person hat besonders im fortschreitenden Alter ein ganz eigenes Vereinbarkeitsthema: die persönliche Gesundheit. Denn wir möchten doch alle möglichst lange agil und fit bleiben, um unseren Job, aber auch den Rest des Lebens genießen zu können. Für diese Altersgruppe sind also gesundheitserhaltende Angebote von besonderem Interesse.

Na ja, und dann gibt es die mit Ehrenämtern und Hobbys und all den anderen Prioritäten …

Worauf ich hinauswill? Jeder von uns hat ein Vereinbarkeitsthema, und egal für welches Alter, Unternehmen können immer mehr für Vereinbarkeit von Beruf und privaten Prioritäten tun.

Und wie das jetzt hilft, mehr Mütter in Führung zu bringen?

Ein Vorbild muss nicht in Stein gemeißelt sein

Um als Vorbild in Sachen Vereinbarkeit zu dienen, muss ich als Führungskraft nicht das gleiche Vereinbarkeitsthema wie der oder die Mitarbeitende haben, der*die befördert werden möchte. Ich muss mir nur klar machen, dass ebenso wie ich auch diese Person darum ringt, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Beruf und privaten Prioritäten. Und wenn ich mir das vor Augen führe und in den offenen Dialog darüber gehe, was die Person braucht und wie ich oder das Unternehmen sie bei ihrem Unterfangen noch besser unterstützen können, dann gewinnen alle – und dann kommen auch mehr Mütter in den Genuss einer Führungsposition.

Um es mit Ghandis Worten zu sagen: Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst. Und ich füge hinzu: Zeige offen, wie du mit deinem Vereinbarkeitsthema umgehst, und mach anderen Mut, ihres ebenso zu meistern.
Und wenn du ganz generell mal darüber sprechen möchtest, wie Vereinbarkeit auch bei dir im Unternehmen noch besser gelingen kann, sprich mich einfach an.


Deine Amélie

Hier gibt’s den Artikel zum Mitnehmen.

Distance Caregiving

Distance Caregiving

Wenn Papa nicht um die Ecke wohnt

90 % der Arbeitnehmer finden sich kurz- oder langfristig in der Situation wieder, dass sie neben Job und der Familie noch für einen Angehörigen die Pflege übernehmen müssen. Für die meisten tritt dieser Fall überraschend ein – ebenso wie für 62 % der Arbeitgeber, die eine solche Möglichkeit auch nicht präsent haben.
Während der Babybauch oder auch die Fotos des Nachwuchses gern und stolz im Kollegenkreis vorgezeigt werden, gilt das für den Fall, dass die Mutter einen Oberschenkelhalsbruch erleidet oder der Vater einen Schlaganfall überlebt, eher weniger. Entsprechend bleiben hier das Mitgefühl, die Unterstützung und die Hilfsangebote aus.
Das ist schon ein Problem, wenn man von der idealen Situation ausgeht, in der der Familienrat früh und offen über diese Eventualität gesprochen und gemeinsam im Vorweg Optionen für die weitere Wohn- und Hilfebedürfnisse erwogen und optimiert hat. Doch meistens verkennt gerade die ältere Generation ihre schwindenden Kräfte, und umso plötzlicher sieht sich dann der berufstätige Nachwuchs in einem unangenehmen Dilemma – und das dank der modernen Flexibilität auch noch über Hunderte Kilometer hinweg.

Das Pflege- und Familienpflegezeitgesetz

Wenn ein Pflegefall eintritt, ist das erst einmal ein Schock für alle Beteiligten. Auf einmal müssen Wohn-, Versorgungs- und Pflegesituation organisiert werden, während man selbst noch versucht, mit den emotionalen Konsequenzen umzugehen. Ganz nebenbei funktioniert man irgendwie als Arbeitnehmer und womöglich Eltern weiter. Auf Dauer kann das nicht gut gehen, weshalb es ratsam ist, sich von der ersten Minute an fachkundige Hilfe zu holen. Das Ganze gelingt noch einigermaßen, wenn man übergangsweise erst einmal selbst einspringen kann, wenn der Angehörige vor Ort ist. Je größer jedoch die Distanz zwischen dem zu Pflegenden und seinen Angehörigen, desto größer die Herausforderungen.
Der Gesetzgeber hat die Rechte der Arbeitnehmer durch zwei Gesetze, das Pflege- und das Familienpflegezeitgesetz, gestärkt und sichert sie so im Falle von akuten und mittelfristigen Pflegesituationen finanziell ab. Allerdings fangen diese natürlich nur einen Bruchteil der eigentlichen Probleme auf. Der kluge Arbeitgeber kann sich genau an dieser Stelle als Vereinbarkeitsprofi darstellen und mit einfachen Mitteln den Arbeitnehmer dabei unterstützen, unter der Doppelbelastung nicht auch noch selbst zu erkranken.

Wissen ist Macht – wie Arbeitgeber mit Informationen im Pflegefall unterstützen können

  1. Gerade auf Distanz ist es schwierig, Alltagshelfer zum Einkaufen, für den Haushalt oder Essen auf Rädern zu organisieren. Hierfür ist es unerlässlich, einen gut organisierten ambulanten Pflegedienst zu beauftragen, der viele von den ergänzenden Dienstleistungen im Netzwerk hat. Informationen zu den Wohlfahrtsverbänden, die dieses besonders gut machen, kann der Arbeitgeber über eine Intranetseite einfach abrufbar machen. Hausnotrufsysteme entlasten den Pflegenden zusätzlich und bieten Sicherheit.
  2. Ebenso helfen gut sortierte Listen von Hilfestellungen für alle Pflegegrade dabei, die knapp bemessene Zeit effizient zu nutzen: Sammeln Sie hier Links zu Versandapotheken und Stellen, an denen Pflegemittel zum Verbrauch bestellt werden können – das erspart den Gang in Apotheke oder Drogerie.
  3. Damit der Pflegende selbst psychisch und physisch gesund bleibt, braucht er Informationen zu seinen Ansprüchen auf Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI), Urlaub mit Pflegebedürftigen, stundenweiser Seniorenbetreuung bis hin zu Tages- und Nachtpflege und natürlich zu Kuren. Auch Links zu Selbsthilfegruppen können hier mit aufgeführt werden.

Was der Arbeitgeber außerdem tun kann

Manche schreiben Glückwunschkarten, schicken Blumen oder eine Windeltorte zur Geburt – das funktioniert auch im Pflegefall. Eine offene Kommunikation und proaktive Hinweise, dass man als Arbeitgeber am Befinden der Angestellten interessiert ist und bereit steht, wenn individuelle Lösungen entwickelt werden müssen, sichert langfristig die psychische Gesundheit Ihrer Mitarbeiter im Unternehmen.
Mitarbeiter, die sich wahrgenommen fühlen und ein gewisses Entgegenkommen durch den Arbeitgeber erfahren, sind langfristig weniger gestresst und können auch ihren beruflichen Verpflichtungen besser nachkommen.
Das muss auch nicht immer sofort teuer sein. Wie gesagt helfen das Pflege- und das Familienpflegezeitgesetz dem Pflegenden finanziell, ohne den Arbeitgeber zusätzlich zu belasten. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Recherche hierzu abnimmt und den Weg ebnet, zahlt sich das langfristig für beide Seiten aus. So gewinnt das ganze Unternehmen selbst im Pflegefall.

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